Veranstaltung: | Landesausschuss 29. November 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Gemeinwohlorientierte Mieten- und Wohnungspolitik |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesausschuss |
Beschlossen am: | 29.11.2023 |
Antragshistorie: | Version 8 |
Es braucht einen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik - für ein faires und gemeinwohlorientiertes Miet- und Baurecht!
Beschlusstext
Jede*r braucht ein Zuhause. Aber die Mieter*innen in Berlin stehen seit Jahren
unter Druck. Wir Bündnisgrüne wollen eine Stadt für alle, statt Verdrängung und
Segregation. Deswegen kämpfen wir in den Bezirken und im Land seit vielen Jahren
für bezahlbares Wohnen, den sozialen Zusammenhalt und lebendige Nachbarschaften.
Um den Umbau des Berliner Wohnungsmarktes zu schaffen, brauchen wir aber auch
die richtigen Rahmenbedingungen auf Bundesebene. Die Wohngeldreform hat
kurzfristig geholfen, mehr Menschen bei steigenden Mieten zu unterstützen. Aber
sie löst nicht das strukturelle Problem des großen Renditedrucks, der nahezu
ungebremst bei den Mieter*innen ankommt. Statt nur hohe Mieten zu
subventionieren, muss endlich die im Koalitionsvertrag im Bund vereinbarte
Mietrechtsreform kommen. Marco Buschmann muss endlich damit aufhören, sie auf
dem Rücken der Mieter*innen auszusitzen. Die Blockadehaltung der FDP geht zu
Lasten der Mieter*innen und aller Städte, die mit überhöhten Miet- und
Bodenpreisen zu kämpfen haben. Wir Bündnisgrüne werden uns weiterhin für die
Mieter*innen einsetzen und fordern die SPD auf, im Bund mit uns gemeinsam
endlich ein faires Miet- und Baurecht in der Ampel durchzusetzen.
Um den Bestand zu schützen und bedarfsgerechten Neubau zu erreichen, bedarf es
folgender Maßnahmen, die nur die Bundespolitik treffen kann:
Für eine Länderöffnungsklausel Mietendeckel und einen temporären Mietenstopp
Die Mietpreisentwicklung hat sich schon lange von der Einkommensentwicklung der
Berliner*innen entkoppelt. Hohe Boden- und Kaufpreise ziehen hohe Mieten nach
sich. Die Anzahl der von Wohnkosten überlasteten Haushalte nimmt in Berlin seit
Jahren zu. Weil es in Deutschland sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte sowie
unterschiedliche Einkommenssituationen gibt, fordern wir auch differenzierte
Antworten. Dazu gehört, dass die Länder zukünftig durch eine Öffnungsklausel im
Bundesmietrecht selbst entscheiden können, wie sie die Mieten deckeln. Wir
wollen damit auch die Möglichkeit eines temporären Mietenstopps ermöglichen.
Gerade angesichts der hohen Inflation und Energiepreise brauchen die
Mieter*innen jetzt Entlastung.
Für eine dauerhafte und wirklich wirksame Mietpreisbremse und einen verbesserten
Mietspiegel
Die Mietpreisbremse ist ein wichtiges Instrument zum Schutz der Mieter*innen.
Deshalb wollen wir, dass der Bund die Mietpreisbremse mindestens bis 2029
verlängert, sehen aber die Notwendigkeit, sie als dauerhaftes Instrument
einzuführen. Zudem erwarten wir, dass die Mietpreisbremse so reformiert wird,
dass sie auch ein wirksames Instrument wird, indem
- eine effektive Überwachung aufgebaut wird,
- Ausnahmeregelungen wie möblierte Wohnungen abgeschafft werden,
- die Kommunen einen Genehmigungsvorbehalt für Vollsanierungen erhalten und
- die Nichteinhaltung mit einer wirksamen Ordnungsstrafe versehen wird.
Für die Berechnung der qualifizierten Mietspiegel müssen die Mietverträge aus
einem längeren Zeitraum, nämlich der letzten 20 Jahre, herangezogen werden.
Dadurch wird die Begründung von Mieterhöhungen aus Vergleichsmieten stark
eingeschränkt. Wir fordern den Nachweis von Mietwucher deutlich zu erleichtern
und klare Kriterien zu entwickeln, um für die Kommunen bzw. Städten die
Möglichkeit von Strafsanktionen deutlich zu verbessern.
Dauerhaft bezahlbares Wohnen durch die Neue Wohngemeinnützigkeit
Wir fordern, dass der Bund die Neue Wohngemeinnützigkeit zeitnah einführt und so
ein neues, dauerhaft bezahlbares Segment auf den Wohnungsmärkten ermöglicht.
Egal ob Aktiengesellschaft, GmbH, öffentliches Wohnungsunternehmen,
Genossenschaft, Sozialunternehmen, private Baugruppe, kirchlicher Träger oder
Stiftung – alle Akteure sollen die Möglichkeit haben, sich gemeinnützig auf dem
Wohnungsmarkt zu engagieren und preisgebundenen Wohnraum anzubieten. Dabei muss
der Bund die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen mit Steuerfreistellungen und
ausreichenden Investitionszulagen unterstützen.
Höhere Förderung und deutlich verlängerte Mietpreisbindung im Sozialwohnungsbau
Der Bund hat die Mittel zur Unterstützung der Länder in der Sozialen
Wohnraumförderung seit 2021 bereits mehr als verdoppelt. Trotzdem fallen
weiterhin jedes Jahr mehr Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung, als neue
gebaut werden können. Wir möchten, dass dieser Negativtrend umgekehrt wird. Dazu
fordern wir den Bund auf, die Mittel für die Soziale Wohnraumförderung weiter zu
erhöhen. Zudem soll er mit den Ländern Belegungs- und Mietpreisbindungen von
mindestens 50 Jahren vereinbaren – auch bei vorzeitiger Ablösung der Darlehen
durch die Eigentümer*innen.
Eigenbedarfskündigungen stoppen
Seit Ende 2021 ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch den Bund
stark eingeschränkt. Das war auch lange überfällig, denn seit 2006 wurden fast
200.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. In umgewandelten
Wohnungen drohen immer mehr Mieter*innen Eigenbedarfskündigungen und damit der
Verlust ihres Zuhauses. Umgewandelte (leere) Wohnungen führen nicht nur beim
Verkauf zu höheren Renditen, sondern heizen auch die Boden- und Mietpreisspirale
an. Daher fordern wir ein zeitlich unbefristetes Umwandlungsverbot von Miet- in
Eigentumswohnungen in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Zudem muss
zukünftig zum Schutz der Bestandsmieter*innen sichergestellt sein, dass die
Möglichkeiten für Eigenbedarfskündigungen stark eingeschränkt und die
Härtefallregelung dafür stark ausgebaut werden. Der zehnjährige Kündigungsschutz
vor Eigenbedarf, der nur beim erstmaligen Verkauf der umgewandelten Wohnung
gilt, sollte auf 20 Jahre ausgeweitet werden. Immer wieder stellen
Mieterverbände und Gerichte fest, dass Eigenbedarfskündigungen vorgetäuscht
werden. Um vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen zu vermeiden bzw. zu
unterbinden und die Strafverfolgung zu erleichtern fordern wir die Einführung
eines bundesweiten Eigenbedarfskündigungskatasters. Die Mieter*innen müssen
angemessen entschädigt werden.
Für ein rechtssicheres, gestärktes Vorkaufsrecht sowie Abwendungsvereinbarungen
für den Milieuschutz
Berlin ist leider auch die Hauptstadt der Immobilienspekulation. Wir
Bündnisgrüne kämpfen dafür, dass Städte beziehungsweise ihre Bezirke wieder in
die Lage versetzt werden, durch Ausüben des kommunalen Vorkaufsrechts
bezahlbaren Wohnraum zu erhalten – in öffentlicher oder genossenschaftlicher
Hand. Seit April 2022 liegt ein rechtssicher formuliertes Gesetz zur Heilung des
kommunalen Vorkaufsrechts vor, das endlich in den Gesetzgebungsprozess
eingebracht werden muss. Durch die dann ebenfalls wieder mögliche
Abwendungsvereinbarung kann sichergestellt werden, dass sich Vermieter*innen
verpflichten, ihre Mieter*innen nicht zu verdrängen. Darüber hinaus fordern wir
aber auch die Schärfung des Instruments. In Städten mit angespanntem
Wohnungsmarkt sollte das Vorkaufsrecht nicht nur in Milieuschutzgebieten,
sondern stadtweit gelten. Zudem braucht es dringend ein preislimitiertes
Vorkaufsrecht, das sich am limitierten, reduzierten Bodenrichtwert bzw. sozialem
Ertragswert und nicht am spekulativen Buchwert oder an den Bewertungen der
Verkäufer*innen orientiert.
Für einen echten Kündigungsschutz, die Absenkung Kappungsgrenzen sowie den Stopp
hoher Indexmieten
Es braucht einen Instrumenten-Mix, um Bestandsmieter*innen besser zu schützen.
Dazu gehören die Absenkung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen auf mindestens
elf Prozent in angespannten Wohnungsmärkten innerhalb von drei Jahren, wie im
Koalitionsvertrag vereinbart. Unser Ziel ist eine Kappungsgrenze von maximal
zweieinhalb Prozent pro Jahr. Eine vergleichbare Deckelung und Beschränkung
braucht es zwingend auch für Indexmieten, die andernfalls uferlos steigen, ohne
dass ihnen der Mietspiegel eine Schranke setzt. Schließlich fordern wir einen
verbesserten Kündigungsschutz für Mieter*innen, etwa indem es ermöglicht wird,
durch die Nachzahlung der rückständigen Miete auch eine ordentliche Kündigung zu
verhindern.
Für eine nachhaltige Investitionspolitik – Immobilien als Steuersparmodelle
verhindern: Haltefrist verlängern
Die Ertragserwartungen aus Mieten haben sich von den Wertsteigerungserwartungen
von Immobilien in den letzten Jahre entkoppelt. Die Möglichkeit der steuerfreien
Mitnahme von Wertsteigerungen nach 10 Jahren führt zu regelmäßigen Verkäufen,
treibt die Preisspirale an und erhöht den Druck auf Mieter*innen. Wir fordern
daher bei vermieteten Immobilien für eine nachhaltige Immobilienbewirtschaftung
die Haltefrist für zukünftige Wertsteigerungen auf mindestens 20 Jahre zu
verlängern.
Planungs- und Genehmigungspraxis im Sozialwohnungsbau beschleunigen
Damit mehr mietpreisgebundene Sozialwohnungen entstehen, brauchen wir neben der
Erhöhung der sozialen Wohnraumförderung durch den Bund auch Vereinfachungen und
Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungspraxis. Wir begrüßen die Ziele
des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ und fordern gleichzeitig die zügige und
verbindliche Umsetzung. Serielle und nachhaltige Bauweisen, Typengenehmigungen
in unserer Landesbauordnung sowie der Ausbau digitaler Planungs- und
Genehmigungsprozesse können erheblich zur Umkehr der Negativbilanz im
Sozialwohnungsbau beitragen. Ebenso wichtig sind auch mehr gemeinsame Planungen
und Bauvorhaben der Landeseigenen Wohnungsunternehmen.
Für eine sozial verträgliche, klimafreundliche Gebäudesanierung
Viele Gebäude verbrauchen zu viel Energie – das ist sowohl schlecht für die
Mieter*innen, die die hohen Heizkosten tragen müssen, als auch für den
Klimaschutz. Um gemeinsam Vermieter*innen, den Staat und Mieter*innen bei der
Gebäudesanierung in die Pflicht zu nehmen, streben wir langfristig die
Abschaffung der energetischen Modernisierung und die Einführung des
Drittelmodells an. Die neue Modernisierungsumlage beim Heizungstausch ist ein
erster Schritt um das Nutzen von Fördergeldern bei der Sanierung anzureizen
statt wie bislang die Kosten rein auf die Mieter*innen umzulegen. Auch nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds hat
sich Robert Habeck erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Förderung der
energetischen Sanierung von Gebäuden weitergeführt wird. An diesem Kurs wird
festgehalten.
Intensivierung der gemeinwohlorientierten Bodenvorratspolitik
Damit der Sozialwohnungsbau auch langfristig einen wichtigen Beitrag zur
Entspannung am Wohnungsmarkt beitragen kann, ist der strategische Ankauf von
Baulandreserven ein wichtiger Bestandteil einer gemeinwohlorientierten Boden-
und Stadtentwicklungspolitik. Dafür muss der Bund sowohl geeignete Flächen aus
den Beständen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und Gesellschaften in
Kontrolle des Bundes für die Länder und Kommunen zu vergünstigten Konditionen
bereitstellen, als auch die erforderlichen finanziellen Kapazitäten ausbauen, um
den Handlungsspielraum für den strategischen Ankauf auch von kleineren Flächen
aus Privatbeständen zu ermöglichen.