Veranstaltung: | Landesausschuss am 9. April 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 7 Verschiedenes |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Landesausschuss |
Beschlossen am: | 09.04.2025 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Rechtsstaat statt Autoritarismus – Kein Missbrauch des Aufenthaltsrechts zur politischen Repression
Beschlusstext
Der schwarz-rote Senat setzt in Berlin ein gefährliches politisches Signal: Vier
ausländische Personen – drei EU-Bürger*innen und ein US-Bürger – sollen
ausgewiesen werden beziehungsweise ihre Freizügigkeit als EU-Bürger*innen
verlieren. Als Begründung führt die Innenverwaltung pauschal eine „schwere
Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ an. Ihnen wird eine Beteiligung an
mehreren Straftaten wie Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch, aber auch
Beleidigung und Widerstand gegen Vollzugsbeamte vorgeworfen – allesamt im
Kontext von Protesten gegen den Gaza-Krieg. Die gewaltsame Besetzung der Freien
Universität ist weiterhin zu verurteilen, da es dabei zu Straftaten,
Sachbeschädigungen und Vandalismus gekommen ist. Entsprechend sind
strafrechtliche Verfahren zu führen. Konkrete Anklagen sind bisher jedoch nicht
erhoben worden, keine der vier Betroffenen ist verurteilt.
Trotz eingelegter Klagen gegen die Ausweisungen und sehr hoher rechtlicher
Hürden für eine Aufenthaltsbeendigung bei EU-Bürger*innen hat das Landesamt für
Einwanderung (LEA) die sofortige Vollziehung angeordnet – die Betroffenen sollen
bis zum 21. April ausreisen und müssen mit einer Abschiebung rechnen. Das
Landesamt für Einwanderung selbst, einschließlich der zuständigen
Abteilungsleitung sowie des Direktors, hält dieses Vorgehen laut Medienberichten
nach eigener Aussage für rechtswidrig und hatte gegen die direkte Weisung aus
der Innenverwaltung interveniert. Dennoch wurde das Amt von der Innenverwaltung
politisch angewiesen umgehend die Ausweisungsbescheide zu erlassen. Es handelt
sich offensichtlich um eine politisch motivierte Instrumentalisierung des
Aufenthaltsrechts.
Was sich hier abzeichnet, ist ein autoritärer Tabubruch. Das Aufenthaltsrecht
wird zum Mittel politischer Repression – eingesetzt gegen Personen, denen im
Kontext von politischen Protestaktionen strafrechtlich relevantes Verhalten
vorgeworfen wird. Ohne Anklageerhebung oder gar rechtskräftiges Urteil wird mit
dem pauschalen Verweis auf die Beteiligung an Straftaten eine pauschale Gefahr
für die „öffentliche Sicherheit“ konstruiert, die aus rechtsstaatlicher
Perspektive höchst problematisch ist. Anstelle des Rechtsstaats tritt ein
gefährliches Exempel: Der Staat greift zu außerordentlich schwerwiegenden
Maßnahmen wie Ausweisungen und dem Entzug der Freizügigkeit innerhalb der
Europäischen Union und setzt die Unschuldsvermutung faktisch außer Kraft. Damit
wird staatliches Handeln entgrenzt und zentrale rechtsstaatliche Prinzipien
unterlaufen. Tür und Tor werden geöffnet für willkürliche Eingriffe in Grund-
und Freiheitsrechte. Ein solches Vorgehen stärkt nicht den Rechtsstaat, sondern
bewirkt genau das Gegenteil. So entsteht ein generelles Klima der Angst und
Einschüchterung.
Diese Praxis verletzt fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien, untergräbt das
Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und setzt die
Unschuldsvermutung faktisch außer Kraft. Sie reiht sich ein in eine
beunruhigende Verstrafrechtlichung des Aufenthaltsrechts sowie einer
Verschärfung staatlicher Repression auf politische Proteste, die nicht mehr
zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und konkreten Straftaten
differenziert. Gerade als Bürger*innen- und Grundrechtspartei treten wir solchen
Entwicklungen entschieden entgegen – unabhängig davon, ob wir mit den
politischen Inhalten der Proteste übereinstimmen oder nicht.
Bündnis 90/Die Grünen Berlin lehnen das Vorgehen des Berliner Senats ab und
fordert diesen mit Nachdruck auf:
- die Abschiebungs- und Ausweisungsverfahren gegen die betroffenen Personen
umgehend zu stoppen.
Im Raum stehende Straftaten müssen durch Gerichte festgestellt werden,
nicht durch politische Weisungen.
- die politische Instrumentalisierung des Aufenthaltsrechts zu unterlassen.
DasAufenthaltsrecht darf nicht als Ersatzstrafrecht missbraucht werden, um
unliebsame politische Positionen zu sanktionieren.
- die rechtsstaatlichen Prinzipien zu wahren – insbesondere die
Verhältnismäßigkeit.
Ausweisungen und Entzug der Freizügigkeit ohne rechtskräftige Verurteilung
untergraben zentrale Grundsätze des Rechtsstaats.
Bündnis 90/Die Grünen Berlin setzt sich dafür ein,
- dass die Berliner Innenverwaltung keine politischen Anordnungen zur
Durchsetzung rechtswidriger Maßnahmen erteilen darf.
Politische Einflussnahme auf laufende Verwaltungsverfahren gefährden die
rechtsstaatliche Unbefangenheit von Behörden und schaden dem Vertrauen in
einen neutralen Rechtsstaat.
- dass die parlamentarische Kontrolle gegenüber dem Landesamt für
Einwanderung (LEA) und der Innenverwaltung gestärkt wird.
Politische Weisungen im Ermessensspielraum müssen transparent,
demokratisch legitimiert und überprüfbar sein. Die Auskunftsverweigerung
der Innenverwaltung zu konkreten Nachfragen im Innenausschuss des
Abgeordnetenhauses ist ein Affront gegenüber dem Parlament