Veranstaltung: | LDK am 3. Juni 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | Dringlichkeitsanträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 03.06.2023 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Solidarität mit der queerfeministischen Besetzung in der Wuhlheide!
Beschlusstext
Die Wuhlheide ist einer der größten Wälder in Berlin und für Klimaschutz und Naherholung
extrem wichtig. Noch in diesem Jahr soll das Planfeststellungsverfahren für die
Tangentialverbindung Ost (TVO) – eine über 6 Kilometer lange vierspurige
Hochleistungsstraße, die Treptow-Köpenick im Süden mit Marzahn-Hellersdorf an der B1/B5
verbinden soll - starten. Sie soll eigentlich Bewohner*innen in Karlshorst, Biesdorf und
Kaulsdorf vom Verkehrslärm entlasten. Doch klar ist auch: Mehr Autostraßen führen in der
Regel zu mehr Autoverkehr - umso mehr, wenn gleichzeitig der ÖPNV-Ausbau gestrichen wird.
Der aktuelle Plan sieht vor, dass für die bereits in der DDR geplante Straße knapp 15 Hektar
Wald vernichtet werden. Ein Teil davon sind schützenswerte Eichenwälder südlich des S-
Bahnhofs Wuhlheide. Zudem würde die Straße durch ein Wasserschutzgebiet und den
Biesenhorster Sand führen, ein Naturschutzgebiet in dem gefährdete und geschützte Tier- und
Pflanzenarten leben.
Vom 13. bis 17. Mai 2023 besetzten Klimaaktivist*innen einen Teil des betreffenden
Waldstücks in der Wuhlheide, um gegen die geplante Hochleistungsstraße und für eine sozial
gerechte Mobilitätswende zu protestieren. Sie forderten beispielsweise einen gut
ausgebauten, flächendeckenden öffentlichen Nahverkehr, mehr Rad- und Fußwege und einen
sofortigen Bau- und Planungsstopp großer Straßenprojekte, wie der Verlängerung der A100. Wir
Bündnisgrüne teilen die Auffassung der Aktivist*innen, dass die Mobilitätswende feministisch
sein muss. Wir nehmen den Verzicht auf die NVT durch die neue Koalition zum Anlass, erneut
und bis zur nächsten LDK die Debatte innerhalb unserer Partei und mit den Menschen vor Ort
zu führen, um den Mobilitätsproblemen im Osten unserer Stadt wirklich wirksam zu begegnen
und Klarheit für die Menschen vor Ort zu schaffen.
Wir sehen Handlungsbedarf zur Entlastung der Treskowallee, der Köpenicker Straße und der
Chemnitzer Straße, um den Bedürfnissen der Anwohner*innen auf Verkehrsberuhigung und
Reduzierung des Verkehrslärms gerecht zu werden. Wir werden uns weiter für diese
verständlichen und berechtigten Anliegen der Anwohner*innen einsetzen. Ein Verkehrskonzept
muss dabei auf der Stadt der kurzen Wege aufbauen und für alle erreichbare
Versorgungsangebote und soziale Infrastruktur schaffen, damit Menschen ihr Auto stehen
lassen und ihre Ziele zu Fuß, mit dem Rad oder den Nahverkehr erreichen können. Gleichzeitig
teilen wir die Kritik, dass für Autostraßen in Zeiten der Klimakrise ein so massiver
Waldverlust nicht vertretbar ist. In der letzten Legislaturperiode haben wir Bündnisgrüne
daher für eine Nahverkehrstangente (Schienen-TVO) sowie einen Radschnellweg gekämpft und
einen Rufbus im betroffenen Gebiet eingeführt, um klimafreundliche Mobilität attraktiver zu
machen. Dies entspricht einer sozial gerechten, feministischen Mobilitätspolitik, die
Verkehrsmittel im Umweltverbund stärkt und Mobilitätsbedürfnisse von Menschen mit
Careverantwortung berücksichtigt. Dass die Rückschrittskoalition aus CDU und SPD lediglich
eine Autostraße bauen will, zeigt erneut, dass sie großen Herausforderungen wie der
Klimakrise weiterhin nicht gewachsen ist. Denn nicht eine Hochleistungsstraße für Autos darf
im Mittelpunkt stehen, sondern die Schienenverbindung muss zentrales Element zukünftiger
Verkehrsbaumaßnahmen sein. Wir sehen durch aktuelle Proteste sowie das immer stärkere
Voranschreiten der Klimakrise den Anlass, erneut die Debatte über die beste Lösung für
Mobilitätsprobleme im Berliner Osten zu führen. Auch angesichts der erwartbaren
Kostensteigerungen auf über 500 Mio. Euro ist es nur verantwortlich zu prüfen, welche
Möglichkeiten es gibt, Mobilitätsziele effizienter zu erreichen und Wald zu erhalten. Zum
Vergleich: Für die 6,4 Kilometer lange TVO wären das über 78 Millionen Euro pro Kilometer.
Von diesem Geld könnten auch über 33 Kilometer Straßenbahn oder viele hunderte Kilometer
sichere Geh- und Radwege gebaut werden.
Dass der Berliner Senat die Besetzung unter Innensenatorin Iris Spranger ohne
Gesprächsangebot und mit einer fadenscheinigen Argumentation innerhalb kürzester Zeit räumen
ließ, war unverhältnismäßig und unnötig. Von den Aktivist*innen ging keine Gefahr aus,
vielmehr sind ihre Beweggründe in Anbetracht der Klimakrise und der insbesondere für viele
junge Menschen daraus folgenden existenziellen Ängste verständlich. Deshalb sind wir
solidarisch mit der Besetzung in der Wuhlheide.
Während die Polizei die Wuhlheide räumte, verwehrte sie Sanitäter*innen den Zugang zu
Aktivist*innen, auch die Weitergabe von Getränken und Lebensmitteln wurde untersagt. Zudem
wurde einem Journalisten trotz Vorzeigen seines Presseausweises der Zugang verweigert. In
ihrer Begründung für die Räumung unterstellte die Polizei den friedlichen Aktivist*innen
zudem eine „martialische Aufmachung“ und eine „militante Wirkung“, was eindeutig und
augenscheinlich nicht der Wahrheit entsprach. Dass bis September an besagtem Waldstück keine
Ersatzversammlungen durchgeführt werden dürfen, halten wir für rechtswidrig und eine
überzogene Einschränkung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit. Das Berliner
Versammlungsfreiheitsgesetz sieht darüber hinaus explizit Versammlungen auf öffentlich
zugänglichen Flächen vor. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Gefahren für die
Bäume und das Wasserschutzgebiet zu begründen, welche durch den Bau der TVO erheblich
größere und irreparable Schäden zu befürchten haben, offenbart eine Scheinargumentation, die
lediglich darauf abzielt, Protest von Klimaaktivist*innen zu kriminalisieren. Anstatt die
berechtigten Mahnungen für mehr Klimaschutz ernst zu nehmen, eine friedliche Versammlung zu
dulden und eine Evaluation des Vorhabens vorzunehmen, wird Aktivismus für Klimaschutz von
Schwarz-Rot einmal mehr als extremistisch markiert. Das Vorgehen verurteilen wir und fordern
eine Aufarbeitung.
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