Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz am 7. Dezember 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Rebecca Griffin-Oestreich (KV Friedrichshain-Kreuzberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.11.2019, 11:51 |
V-14: Vorsorgeprinzip stärken!
Antragstext
Vorsorgeprinzip stärken!
Berlin macht Tempo beim 5G Ausbau und wird somit zum Vorzeigestandort und Forschungsgebiet
für schnelles Internet gemacht. Die Versteigerung der ersten Frequenzbereiche sind beendet
und der Ausbau beginnt. Noch bewegen wir uns in bekannten Frequenzbereichen. Dort
telefonieren wir schon heute. Und schon steht die nächste Ausbaustufe vor der Tür. Da
bewegen wir uns im Hochfrequenzbereich (26 GHz).
Die Skepsis im Bezug auf immer mehr Funkeinrichtungen nimmt zu und wie dieser
Frequenzbereich, flächendeckend eingesetzt, auf Pflanzen, Tiere und Menschen wirken ist
weitgehend unerforschtes Gebiet.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es über die Folgen der Einführung dieser
Hochfrequenten Strahlung in weiten Kreisen der Gesellschaft große Vorbehalte und Debatten
gibt.
Diese Vorbehalte sollten wir nicht achtlos bei Seite schieben. Gemäß Artikel 191 des
geltenden EU-Vertrags sind die Bürger*innen grundsätzlich vor Produkten zu schützen, deren
Unbedenklichkeit noch nicht erwiesen ist.
Berlin verfügt über eine ausdifferenzierte Forschungslandschaft. Darum erscheint es
sinnvoll, vor der Großflächigen Einführung dieser Technologie, in Berlin unter Einbeziehung
der Zivilgesellschaft, eine vorbeugende und begleitende 5G-Technikfolgenforschung zu
etablieren.
Begründung
Wir stehen mit 5G an einem historischen Punkt der mit „digitaler Transformation“ umschrieben wird. Ein großer Wandel also. Entsprechend sorgsam sollten wir mit dem Gebot der Vorsorge umgehen.
Die zur WHO gehörende International Agency for Research on Cancer stufte elektromagnetische Strahlungen 2011 als „possibly carcinogenic to human (Group 2B) ein. Ebenso wie z.B. die breit angelegte NTP Studie aus den USA zu Mobilfunkstrahlen und Krebs. Wissenschaftler*innen wie z.B. Md PhD Lennart Hardell vom Departement of Oncology University Hospital aus Schweden haben die Ergebnisse dieser Studie im September 2018 nochmals unterstützt.
Wenn schon die bestehenden Frequenzen bedenklich sind, besteht aller Grund bei den höheren Frequenzen und der neuen MIMO-Technik mit dem Blick des Vorsorgeprinzips zu forschen. Das c`t Magazin beschreibt den oberen Frequenzbereich um 24 Gigaherz als Terra incognita. (siehe den Artikel: Unklare Symptome, 5G kommt bevor alle Risiken ausgeräumt sind. In: c`t Magazin für Computertechnik 30.3. 2019)
Ein Blick über die Grenzen lohnt hier. Brüssel (1.4.2019) und Genf (7.6.2019) haben sich mit der Begründung des Vorsorgeprinzips für ein Moratorium entschieden und den 5G Ausbau gestoppt. ( https://www.brusselstimes.com/brussels/55052/radiation-concerns-halt-brussels-5g-for-now/ ; https://www.tagblatt.ch/schweiz/5g-ausbau-kommt-ins-stocken-ld.1125469 ) Andere Länder informieren, nehmen WLAN aus den Schulen und senken Grenzwerte wie etwa in Frankreich und haben vorsorglich Maßnahmen zum Schutz gerade von Kindern festgelegt. Cypern z.B. hat eine Informationskampagne mit Videospots zum Schutz von schwangeren Frauen und Kindern in Bezug auf Mobilfunknutzung aufgelegt. Die österreichische Ärztekammer warnt mit Flyern vor WLAN und vermittelt medizinische Handyregeln. In Frankreich werden wegen „Phonegate“( https://www.phonegatealert.org) Telefone vom Markt genommen und in den USA laufen Verbraucherprozesse gegen die Mobilfunkindustrie in Bezug auf Gehirntumorerkrankungen. Aber auch in Europa gibt es Fälle. https://www.theguardian.com/technology/2017/apr/21/italian-court-rules-mobile-phone-use-caused-brain-tumour
Es tun sich auch auf anderen Ebenen Fragen auf. Es gibt im Moment keine Transparenz in Bezug auf unsere eigenen veralteten Grenzwerte. Warum sind gerade China als Vorreiter in Sachen 5G weit unter unseren Grenzwerten? Warum hat, wie erwähnt, Frankreich Grenzwerte abgesenkt und WLAN dort, wie in 17 anderen Ländern auch, aus Kindergärten und Schulen verbannt, während wir es einführen? Auch das mit ICNIRP in München, ein Verein ohne Haftung, im Gebäude des Bundesamts für Strahlenschutz industriefreundliche Werte festlegt ist problematisch. (https://www.investigate-europe.eu/publications/how-much-is-safe/ ; http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/schutz/recht/recht_node.html ) Darüber hinaus wird noch immer nur die Nähe zum Körper und Hitzeentwicklung ins Visier genommen, ohne einen Blick auf andere Dimensionen, wie z.B. Pulsung der Signale und biochemische Wirkmechanismen jenseits des Wärmeeffekts zu berücksichtigen (siehe z.B. Review: Biologische und pathologische Wirkungen der Strahlungen von 2,45 Ghz auf Zellen, Fruchtbarkeit, Gehirn und Verhalten von Isabel Wilke. Umwelt. Medizin. Gesellschaft 1/2018 .) Der SAR Maßstab (Specific Absorption Rate), an dem sich die Grenzwertdiskussion entlang hangelt, wird an einem Plastikmodell eines Kopfes getestet, genannt SAM.( „representing the top 10% of U.S. military recruits in 1989“). Weder schwangere Frauen, Kinder noch Tiere und Pflanzen sind einbezogen.( https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21999884)
Die WHO hat Elektrosmog 2011 auf die gleiche Gesundheitsschädigende Ebene festgesetzt wie Dieselfeinstaub.
Die Verbreitung die Mobilfunk in unserem Leben mittlerweile hat ist fundamental.Der Servicecharakter von der Funkwelt ist überzeugend. Für unsere aktuelle Mobilfunkwelt wurden vor dem Hintergrund “convenience” Fakten geschaffen und in unser aller Leben eingebracht. Wie der Film „Über: Digitalisierung - die SMARTE Versuchung“ (3Sat) deutlich macht, werden wir alle erst abhängig gemacht um dann von der Politik und der Industrie gesagt zu bekommen, dass sie nur die Wünsche der Kunden respektive Wähler erfüllen. Da ist ein Diskurs angebracht, der auch die sozialen Aspekte, Energiebilanz, Nutzen der Technik und Alternativtechniken miteinbezieht.
Es gibt das Thema zusätzlicher Klimaschäden durch den Energieverbrauch von 5G und der zusätzlichen Geräte und Materialien die dafür gebraucht werden. Wenn der Verkehrsminister Andreas Scheuer kürzlich im Rahmen einer BDI Veranstaltung in Berlin für 5G wirbt und meint „Wir brauchen einen Aufstand der Leistungsträger und Technikbegeisterten, sonst werden wir den Anschluss verlieren.“ dann ist das ein bemerkenswertes Framing. Gerade wenn in der gleichen Veranstaltung sehr deutlich wird, dass die Industrie noch nicht weiß, was sie mit dem neuen Spielplatz anstellen soll.
Es gibt momentan keine „Killerapp“ und deshalb verlässt man sich derweil auf die Konsument*innen und eine zukünftige exorbitante Steigerung von Rechenkapazität für Streaming und 3D Gaming. Ein Energieaufwand der aus Grüner Sicht nicht mit den eigenen Klimazielen zusammenpasst. Laut Think-Tank „The Shift Project“ wurden 2018 durch Online-Videos 305 Mio. Tonnen CO₂ „in die Atmosphäre geschleudert“, rund 1% Prozent der gesamten Emissionen weltweit. Nach Netflix und Co liegt die Pornoindustrie auf Platz 2. Streaming erzeugt derzeit bereits halb soviel CO₂, wie der globale Flugverkehr jährlich ausstößt, schreibt selbst die Bild Zeitung am 15.7.2019. (https://www.bild.de/wa/ll/bild-de/unangemeldet-42925516.bild.html)
Hier geht es nicht um ganz oder gar nicht. Bei der “digitalen Transformation“ sollte man auch unterscheiden zwischen neuen Techniken und zum Teil fragwürdigen Geschäftsmodellen. Es geht um Vorsorge und aktives mitgestalten. Um die Strahlungsbelastung zu reduzieren geht es auch in Berlin um die Fragen ob die Indoorversorgung nicht über Glasfaserkabel geleistet werden sollte und kann und ob nicht an bestimmten Hotspots die ebenfalls schon entwickelte und marktreife Übertragung von Daten via optischer Verfahren nicht eine bessere Alternative sein könnte.
Forschung in Bezug auf Tier-und Pflanzenwelt ist von Nöten. Insbesondere sind auch die Bäume, die viel Strahlung abfangen, betroffen. Aus Sicht einer 5G Abdeckung stehen Bäume sogar schlicht im Weg. Auch hier stellen sich Fragen. Es sind die gleichen Bäume, die unser Klima retten sollen und in der Stadt die Luft verbessern. Hier könnte man ebenfalls die bereits abgesteckten Berliner Testfelder nutzen um dort die Bäume über längere Zeit zu beobachten.
Zu guter letzt Ravensburg – ebenfalls 5G Testgebiet. Ravensburg hat sich einiges auf die Fahnen geschrieben: Wissenschaftliche Begleitung zur Verwirklichung einer Strahlenminimierung, Schutzzonen für elektrosensible Personen, Begleitende Forschung zur Auswirkung der Strahlenbelastung auf die Gesundheit, Erarbeitung eines neuen Mobilfunkkonzeptes.
Die Bürger*innen in Deutschland fangen an Fragen zu 5G zu stellen und geben sich immer seltener mit einfachen Antworten zufrieden. Selbst das Managermagazin macht sich in der Oktoberausgabe 2019 mit einem längeren Artikel dazu Sorgen. Wir Grünen sollten dieses ganze Thema enttabuisieren und im Gegenteil genau reinschauen um auf diese Weise Raum für differenzierte Ansätze in der Nutzung skizzieren zu können. Das Vorsorgeprinzip ist tatsächlich „ein Prinzip“ und ist eine Errungenschaft die Europa auch von Ländern wie den USA unterscheidet. Diskurs ist eine Stärke der Grünen. Das sollten wir neben den Forschungseinrichtungen die wir hier vor Ort haben nutzen.
Dabei sind ein echter Diskurs und unabhängige Forschung ergebnisoffen.
Änderungsanträge
- V-14-002 (Bianca Denfeld (LAG Wirtschaft), Eingereicht)
- V-14-007 (Bianca Denfeld (LAG Wirtschaft), Eingereicht)
- V-14-007-2 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 29.11.2019), Eingereicht)
- V-14-010 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 29.11.2019), Eingereicht)
- V-14-013 (Bianca Denfeld (LAG Wirtschaft), Eingereicht)
- V-14-013-2 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 29.11.2019), Eingereicht)
- V-14-016 (Bianca Denfeld (LAG Wirtschaft), Eingereicht)
- V-14-016-2 (Bianca Denfeld (LAG Wirtschaft), Eingereicht)
- V-14-016-3 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 29.11.2019), Eingereicht)