Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz am 7. Dezember 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Wissenschaft |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.11.2019, 10:56 |
V-15: Das Berliner Hochschulgesetz für moderne, nachhaltige Lehre und Forschung neu aufstellen!
Antragstext
Das Berliner Hochschulgesetz für moderne, nachhaltige Lehre und Forschung neu aufstellen!
Unsere Stadt und unsere Gesellschaft stehen vor großen Herausforderungen. Bei der Lösung der
sozialen, gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen haben unsere
Hochschulen eine Schlüsselrolle: Sie tragen das Wissen der Welt in die Stadt und das Wissen
der Stadt in die Welt. Sie forschen und lehren, damit wir Antworten und Expert*innen für die
wichtigen Fragen unserer Zeit haben.
Unsere Grüne Vision sind Universitäten und Hochschulen, die neben der Weiterentwicklung von
Forschung und Lehre sowohl die inhaltliche Demokratisierung als auch die sozial-ökologischen
Fragestellungen unserer Zeit als zentrales Thema auf der Agenda haben. Wir sehen die
Notwendigkeit der transdisziplinären Forschung.
Dafür brauchen sie ein modernes, partizipatives Hochschulgesetz, das den Anforderungen an
gute wissenschaftliche Praxis, gute Arbeitsbedingungen und gute Lehre gerecht wird. Als Land
Berlin brauchen wir ein Hochschulgesetz, das die nachhaltige Entwicklung unserer Hochschulen
unterstützt und ihre soziale Öffnung vorantreibt. Wir brauchen ein Hochschulgesetz, das mit
der veralteten Tradition der prekären Beschäftigung in der Wissenschaft bricht und dafür
Gleichstellung, Diversität, Nachhaltigkeit und wissenschaftliche Teamarbeit in der Breite
stützt. Wir brauchen nicht nur Exzellenz, wir brauchen genauso Wissenschaft, die in Vielfalt
denkt und lebt und sich der Stadtgesellschaft gegenüber öffnet.
Als Bündnis 90/Die Grünen Berlin bekennen wir uns zum Grundsatz der wissenschaftlichen
Freiheit und zum Recht auf freie Berufswahl. Wir wollen deswegen den diskriminierungsfreien
Zugang zum Studium sowie Freiräume für ein selbstbestimmtes Studium schaffen. Die
Vereinbarkeit von Studium, Lehre und Forschung mit familiären und weiteren Verpflichtungen
ist für uns ein Muss, ebenso wie ein reger Austausch zwischen Wissenschaft und
Zivilgesellschaft.
Die Finanzierung von Wissenschaft muss transparent sein, egal ob es sich um Landesmittel
oder Drittmittel handelt. Nur so kann eine verlässliche Abwägung von Aufgaben und
Finanzierung der Hochschulen erfolgen und nur so können prekäre Arbeitsbedingungen in der
Wissenschaft wirksam bekämpft werden. Die Freiheit von Lehre und Forschung kann in der
Fortsetzung der strukturellen Unterfinanzierung nicht bestehen.
In den Verhandlungen zur Novellierung des seit 30 Jahren geltenden Hochschulgesetzes
(BerlHG) setzen wir uns deswegen für folgende Grundsätze ein, um den Hochschul- und
Wissenschaftsstandort Berlin heute für die Zukunft zu stärken:
1. Das Verhältnis zwischen Land und Hochschulen transparent, verbindlich und planungssicher
regeln
Dafür brauchen wir:
- Längerfristige Hochschulverträge, die das Verhältnis von Aufgaben und die Finanzierung
der Hochschulen durch das Land transparent regeln
- Aushandlung der Hochschulverträge über einen transparenten und partizipativen Prozess
in den Hochschulen, im Senat und im Parlament unter:
- Berücksichtigung der Landesinteressen bei der Aushandlung der Hochschulverträge nach
themengebundenen Anhörungen im Wissenschaftsausschusses
- Berücksichtigung der Ziele der Hochschulen und der sie tragenden Gruppen und Gremien bei
der Aushandlung der Hochschulverträge nach partizipativer und sachgemäßer Beratung in den
Gremien der akademischen Selbstverwaltung
- Berücksichtigung der Interessen der Stadtgesellschaft bei der Aushandlung der
Hochschulverträge durch Dialogforen zwischen Land und Stadt sowie Stadt und Hochschule
- Aufgabengerechte Finanzierung der Hochschulen, auch als Beitrag zur Stärkung der
Wissenschaftsfreiheit
2. Hochschulen als treibende Kraft für nachhaltige Entwicklung stärken
Dafür werden wir:
- Hochschulen in ihrer Schlüsselfunktion für die Stadtgesellschaft als Forum für
Debatten über soziale Verhältnisse und technologischen Fortschritt stärken
- Hochschulen stärken, ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft, zur
Bildung für nachhaltige Entwicklung und zur sozial-ökologischen
Nachhaltigkeitsforschung zu leisten
- Nachhaltigkeitskonzepte in den Aufgaben, Strukturen und in der Organisation der
Hochschule sowie in Studium, Lehre und Forschung verankern
3. Partizipation durch transparente Finanzierungswege verbessern
Unser Ziel ist:
- Transparente Aufschlüsselung der Hochschulfinanzierung durch Landes- und/oder
Drittmittel einführen, um eine verlässliche Abwägung von Aufgaben und Finanzierung der
Hochschulen zu ermöglichen
- Forschung und Entwicklung müssen friedlichen Zielen verpflichtet sein. Eine
verpflichtende und überprüfbare Zivilklausel soll die Friedensbindung der Hochschulen
sicherstellen
- Forschungsergebnisse, die unter Nutzung öffentlich finanzierter Ressourcen entstanden
sind, müssen öffentlich und möglichst barrierearm zugänglich sein
4. Nachhaltige Personalentwicklung und teamorientierte Personalstruktur für Lehre und
Forschung etablieren
Dafür werden wir insbesondere:
- Personalstrukturen dem Teamcharakter moderner Wissenschaft anpassen
- Die Vielfalt der Wege zur Promotion erhalten und wissenschaftliche Standards durch die
Trennung von Betreuung, Begutachtung und arbeitsrechtlicher Weisungsbefugnis während
der Qualifizierungsphase absichern
- Das informell immer noch oft gelebte Lehrstuhlprinzip zurückdrängen, personelle
Abhängigkeiten aufbrechen und die Befristungen von Stellen auf ein Minimum beschränken
- Vielfältige, planbare und durchlässige Berufswege in der Wissenschaft eröffnen, u.a.
durch eine attraktive Personalkategorie neben der Professur
- Die Pflicht zur nachhaltigen Personal- und Organisationsentwicklung auf Hochschul- und
Fachbereichsebene gesetzlich verankern und für Daueraufgaben Dauerstellen vorsehen
- Hochschulen für angewandte Wissenschaft (Fachhochschulen) in denjenigen
Forschungsfeldern und Lehrgebieten das Promotionsrecht verleihen, in denen die
Möglichkeit zur Promotion nicht durch die Kooperation mit Universitäten in Berlin
sichergestellt werden kann
- Modelle ermöglichen, durch die auch über Drittmittel finanzierte wissenschaftliche
Arbeit auf Dauerstellen umgesetzt werden kann
- Das Outsourcing von Aufgaben zum Unterlaufen tarifrechtlicher Regelungen unterbinden
5. Mehr Selbstbestimmung, Flexibilität und Mobilität im Studium schaffen
Dafür wollen wir:
- Die Selbstbestimmung, Flexibilität und Mobilität der Studierenden in einem qualitativ
hochwertigen Studium ohne Studiengebühren absichern
- Den Einstieg ins Studium erleichtern und die Möglichkeiten zur individuellen
Profilbildung erhöhen, insbesondere durch:
- Die Schaffung einer Orientierungsphase zu Beginn des Studiums mit Benotungswahlfreiheit in
den ersten beiden Semestern
- Die Ausweitung der vollständigen Wahlfreiheit auf ein Drittel des Studiums,
- Die Möglichkeit der Nutzung und problemlosen Anerkennung der Angebote aller Berliner
Hochschulen, nicht nur der eigenen
- Hochschulen verpflichten im Rahmen der Regelstudienzeit ein überschneidungsfreies
Studium zu garantieren
- Ein flexibles und bedingungsloses Teilzeitstudium ohne Meldefristen ermöglichen
- Unnötige Beschränkungen von Prüfungsversuchen abschaffen wo dies rechtlich möglich ist
6. Die Kompetenzen der akademischen Selbstverwaltung stärken und Partizipation aller
Hochschulmitglieder verbessern
Wir wollen dafür:
- Bewährte Modelle der akademischen Selbstverwaltung weiterführen und neue
Partizipationsmöglichkeiten für alle Gruppen in der Hochschule eröffnen, insbesondere
durch:
- Ein viertelparitätisches Grundordnungsgremium, welches die Zusammensetzungen und Aufgaben
aller Gremien der Hochschule beschließt
- Die Wahl des Präsidiums durch ein paritätisch zusammengesetztes Gremium
- Die Unterstützung der Gremienarbeit für alle mitwirkenden Hochschulangehörigen durch ein
Hochschulreferat
- Der Verschiebung von Kompetenzen und Entscheidungen auf die Leitungsebene
entgegenwirken, insbesondere durch:
- Abschaffung der Erprobungsklausel im Berliner Hochschulgesetz
- Wiederherstellen von Partizipations- und Mitwirkungsrechten von Hochschulangehörigen und
Gremien, die durch Anwendung der Erprobungsklausel eingeschränkt wurden
- Zusammensetzung von Kuratorien unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen,
wie Nachhaltigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Friedensbindung und den
jeweils partizipativ erarbeiteten Zielen der Hochschule
- Die Kompetenzen der Kommissionen für Lehre und Studium bei Wahrung der Mehrheit der
Studierenden stärken
7. Unsere Hochschulen müssen diskriminierungsfrei sein und Diversität schätzen
- Die Gleichstellung von Frauen innerhalb der Berliner Hochschulen auf allen Ebenen
anhaltend fördern und strukturell durch die herausragende Arbeit der
Frauenbeauftragten unterstützen
- Hochschulen strukturell als diskriminierungsfreien Raum gestalten
- Hochschulen zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung des Studiums, zur Barrierefreiheit
sowie zur Berücksichtigung der sozialen Lage der Studierenden verpflichten
- Digitale und inklusive Lehrformate fördern, um die Flexibilität und Mobilität des Studiums
zu erhöhen und den Zugang zum Studium für benachteiligte Gruppen zu erleichtern
Begründung
Unterstützer*innen:
Brigitte Reich, Heidi Degethoff de Campos, Wera Pustlauk, Lucas Höwner, Martin Scheuch, Michael Greiner, Mattis Körber (alle LAG Wissenschaft), Eva Marie Plonske (Abt. Wissenschaft), Catherina Pieroth (KV Tempelhof-Schöneberg), Antje Kapek (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Nicole Ludwig (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Stefanie Remlinger (LAG Bildung), Daniel Wesener (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Anja Schillhaneck (Abt. Wissenschaft), Bernd Schwarz (KV Reinickendorf)
Begründung:
Das Berliner Hochschulgesetz ist in seiner Grundstruktur von den Fraktionen der rot-grünen Koalition im Jahr 1989/90 geschrieben und in Kraft gesetzt worden. Es galt mit der Einführung der Kuratorien, der Institutionalisierung der Frauenbeauftragten und weitgehender demokratischer Mitbestimmungsrechte als eines der fortschrittlichsten Hochschulgesetze in Deutschland. Seitdem folgten zahlreiche „Anpassungsnovellen“ unter schwarz-rot, rot-rot, rot-schwarz. Mit der Einführung der Hochschulverträge zur Abfederung der Haushaltskürzungen an den Hochschulen, zur Anpassung an den Bologna-Prozess und zur Qualitätsentwicklung durch Akkreditierungsverfahren wurden verschiedene Eingriffe in die Grundsystematik vorgenommen, die zu strukturellen Verwerfungen geführt haben, die dringend korrigiert werden müssen.
Gleichzeitig hat sich die Rolle von Hochschulen in der Gesellschaft in den letzten 30 Jahren stark gewandelt. Unter dem Einfluss öffentlicher Debatten wie zum Klimawandel und zur Nachhaltigkeit, dem Anzweifeln wissenschaftlicher Erkenntnisse, einem Trend zur Wissenschaftsfeindlichkeit sowie der Auseinandersetzung mit sogenannten Fake News, müssen sich Hochschulen heute zunehmend als gesellschaftliche Akteurinnen begreifen und neu ausrichten. Auch die Implementierung sozial-ökologischer Forschung, transdisziplinärer Arbeitsweisen und die strukturelle Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten braucht ein Umdenken und -steuern in den Hochschulen. Ein Prozess, der demokratische Partizipation und Weitblick in den Institutionen selber und ihrer Verfasstheit erfordert (vgl. AG Demokratische Hochschule: www.berlin.de › _assets › abschlussbericht-demokratische-hochschule).
Als Grüne fordern wird seit Jahren ein modernisiertes Hochschulgesetz, um die Hochschulen besser in die Lage zu versetzen ihren Aufgaben gerecht zu werden. Wir wollen nicht länger warten, sondern werden diesen wichtigen Schritt energisch vorantreiben.
Seit dem Sommer 2018 haben sich deshalb Mitglieder der für Wissenschaft zuständigen Fachausschüsse der Koalitionsparteien und die zuständigen Fraktionär*innen auf eine Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes verständigt. In einem transparenten Prozess von öffentlichen Anhörungen wurden die Interessen der auf allen Ebenen an Hochschule Beteiligten – von den Hochschulleitungen, Professor*innen, akademischen Mitarbeitenden, Studierenden, Gremienmitgliedern u.a.m. – abgefragt und zusammengetragen.
Zwischen den drei Koalitionsparteien sind hochschulpolitische Leitlinien für die Novellierung des BerlHG in einem weitgehenden Konsens zusammengeführt worden (vgl. Hochschulpolitische Leitlinien für die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes: https://gruene.berlin/file/7914/download?token=hQlb6g0w ). Dennoch gibt es in wichtigen Detailfragen, wie z.B. bei der uns wichtigen Demokratisierung der Hochschulen und der Streichung der Erprobungsklausel, Dissens mit Teilen der SPD, die eine entschiedene Positionierung von Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen eines Parteitagsbeschlusses sinnvoll erscheinen lässt. Wir wollen eine große BerlHG-Novelle und kein weiteres Flickwerk. Denn eine gute Grüne BerlHG-Novelle ist Grundlage für viele weitere Grüne Projekte in unserer Stadt, die von vielfältiger, nachhaltiger und fairer Wissenschaft profitieren.
Änderungsanträge
- V-15-008 (LAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 27.11.2019), Eingereicht)
- V-15-008-2 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-014 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-053 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-056 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-057 (Annkatrin Esser (KV Tempelhof-Schöneberg), Eingereicht)
- V-15-062 (Alexander Kräß (KV Steglitz-Zehlendorf), Eingereicht)
- V-15-062-2 (Alexander Kräß (KV Steglitz-Zehlendorf), Eingereicht)
- V-15-079 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-081 (René Lutter (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-090 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-095 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-096 (LAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 27.11.2019), Eingereicht)
- V-15-100 (Alexander Kräß (KV Steglitz-Zehlendorf), Eingereicht)
- V-15-102 (Michael Sebastian Schneiß (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Eingereicht)
- V-15-124 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-125 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-126 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-128 (René Lutter (KV Berlin-Neukölln), Eingereicht)
- V-15-128-2 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-130 (Michael Sebastian Schneiß (KV Friedrichs-Kreuzberg), Eingereicht)
- V-15-130-2 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-130-3 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)
- V-15-131 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-133 (Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Eingereicht)
- V-15-134 (Enad Altaweel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- V-15-134-2 (Alexander Kräß (Steglitz-Zehlendorf), Eingereicht)
- V-15-134-3 (AG Bunt-Grün (dort beschlossen am: 24.11.2019), Eingereicht)