Veranstaltung: | LDK 6. April 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 10 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Ruben Joachim + Hans-Christian Höpcke (KV Pankow) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.03.2019, 09:17 |
V-08: Elektrokleinstfahrzeuge: Chancen nutzen - Konflikte verhindern
Titel
Antragstext
Elektrokleinstfahrzeuge: Chancen nutzen - Konflikte verhindern
Mit der "Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr
und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" (eKFV) des
Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) können Menschen bald
endlich auch in Deutschland mit Elektokleinstfahrzeugen (eKF oder PLEV - Personal Light
Electric Vehicles) legal am Straßenverkehr teilnehmen.
Besonders durch die vielen Sharing-Anbieter kommen damit Herausforderungen auf Berlin
zu, die durch starke Regelungen aktiv gesteuert werden müssen. Erfahrungen aus anderen
Städte weltweit zeigen, welche Probleme auftreten können, aber auch welche Chancen
diese Angebote bieten.
Von diesen Erfahrungen wollen wir lernen und kurzfristig die Rahmenbedingungen für Berlin
gestalten.
Wir fordern:
1. eKF müssen im Mobilitätsgesetz (MobG BE) Beachtung finden.
2. Umwidmung von PKW-Parkplätzen in Abstellplätze für Fahrräder und eKF und
Einrichtung von solchen Abstellplätzen in allen Kreuzungsbereichen von Straßen
StEP III, IV und untergeordnete.
3. Schnelleren massiven Ausbau von sicheren Radverkehrsanlagen, deren Breite die
sichere Mitbenutzung durch eKF ermöglicht, zum Beispiel Fahrradstraßen und
Protected Bike Lanes.
4. Verzicht auf den Einsatz des Verkehrszeichens "Elektrokleinstfahrzeuge mit einer
bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 12 km/h frei" auf
Gehwegen unter 5m Breite.
5. Eine Abgabe von Unternehmen, die eKF oder Fahrräder im öffentlichen Straßenraum
zum (Kurzzeit-) Verleih anbieten, die sich nach Fahrzeuganzahl und Einsatzgebieten
richtet.
6. Die Unternehmen, die eKF oder Fahrräder im öffentlichen Straßenraum zum
(kurzzeit-) Verleih anbieten, zu verpflichtet, ihre Fahrzeugdaten anhand der Mobility
Data Specification zu veröffentlichen.
7. Geeignete Maßnahmen, die die Anbieter zum Einsatz langlebigerer und damit
ökologisch nachhaltigerer Fahrzeuge bewegen.
8. Bereitstellung ausreichender Mitnahmekapazitäten im ÖPNV, um die Verknüpfung
beider Verkehrsträger zu ermöglichen, da eine zunehmende Verbreitung privater eKF
zu erwarten ist.
9. Berlin soll sich dafür einsetzen, dass eKF unabhängig von der bauartbedingten
Höchstgeschwindigkeit nicht generell auf Gehwegen gefahren werden dürfen
(entgegen §10(3) eKFV).
10. Berlin soll sich dafür einsetzen, dass für Fahrzeuge, bei denen bauartbedingt der
Elektromotor immer wieder durch Abstoßen mit dem Fuß vom Boden aktiviert werden
muss, ähnlich wie Pedelecs als Fahrrad eingestuft werden.
Elektrokleinstfahrzeuge begeistern Menschen weltweit und haben das Potential, den
innerstädtischen Verkehr zu revolutionieren. Lasst uns diese Chance gemeinsam nutzen!
Begründung
Die weltweiten Beispiele des Scooter-Booms zeigen, welches Potential diese Fahrzeuge für die ökologische Verkehrswende haben.
Eine Untersuchung in Portland (Oregon, USA) ergab, dass 34% der Nutzer*innen mit der Nutzung der E-Tretroller eine Fahrt mit dem eigenen Auto oder Anbietern wie Uber ersetzten.
Durch das Zweiradprinzip und das geringe Gewicht des Fahrzeugs sind E-Tretroller extrem energieeffizient. Durch den hohen Wirkungsgrad des Elektroantriebs können E-Tretroller ähnlich wie Pedelecs sogar energieeffizienter als Fahrräder sein.
Besonders für das Problem der letzten Meile kommt mit E-Tretrollern eine Lösung in Sicht: Gerade wenn Start und Ziel eines Wegs nicht im direkten Umfeld einer S- oder U-Bahn-Station liegt, kann die Kombination von ÖPNV und eKF eine attraktive Alternative zum Auto sein.
eKF geben Menschen, die partout weder zu Fuß gehen noch mit dem Rad fahren wollen, eine weitere Alternative zum Auto.
Ausreichend ausgewiesene Abstellflächen sind nötig, um ähnliche Probleme wie mit den im vergangenen Sommer massenhaft auf Gehwegen abgestellten Leihrädern zu vermeiden.
Um Konflikte mit Radfahrer*innen zu vermeiden, muss die Infrastruktur genügend Platz für alle bieten. Dazu gehört besonders, dass Konflikte, die durch Geschwindigkeitsunterschiede entstehen, durch ausreichende Überholmöglichkeiten verhindert werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts zur Fahrradstraße Prinzregentenstraße hat gezeigt, dass Fahrradstraßen schnell und mit wenig Aufwand eingerichtet werden können und die geforderte Verkehrszählung auch später nachgeholt werden kann.
Um Konflikte mit Fußgänger*innen zu vermeiden, sollten Gehwege im Allgemeinen nicht von eKF genutzt werden dürfen. Nur bei ausreichender Breite und geringer Fußverkehrsdichte sollte die Möglichkeit gegeben werden, einzelne geeignete Abschnitte von Gehwegen für gedrosselte eKF freizugeben.
Um die Infrastruktur (z.B. ausreichend Abstellplätze) finanzieren zu können, sollten kommerzielle Sharing-Anbieter eine Gebühr bezahlen müssen.
Als Beispiel kann hier Los Angeles dienen, wo Anbieter pro Jahr 20.000$ plus 130$ pro Fahrzeug bezahlen müssen.
Über Rabatte auf diese Gebühr könnte auch gesteuert werden, dass die Fahrzeug auch in Gebieten angeboten werden, die für die Anbieter wirtschaftlich weniger attraktiv sind, aber in denen das Potential hoch ist, dass Autofahrten ersetzt werden (z.B. außerhalb des S-Bahn-Rings).
Auch hier kann Los Angeles als Beispiel dienen. Dort ist in Gebieten mit niedrigeren Durchschnittseinkommen die Gebühr für die Anbieter niedriger.
Die regulierte Bereitstellung der Fahrzeugdaten der Anbieter liefert wertvolle Informationen für die Verkehrsplanung und kann ein Chaos wie bei den Leihradanbietern verhindern. Das Verkehrsministerium von Los Angeles (LADOT) hat dazu eine Spezifikation (Mobility Data Specification) erarbeitet und stellt diese kostenlos und frei zur Verfügung. Berlin sollte diese sehr gut ausgearbeitet Richtlinie übernehmen und die Scooter- und Bikesharing-Unternehmen zur Umsetzung verpflichten. Nur so kann faktenbasiert herausgefunden werden, wie sich das Mobilitätsverhalten der Berliner*innen durch die Fahrzeuge verändert und die Stadt beeinflusst wird.
Je länger die Fahrzeuge im Einsatz sind, desto geringer fällt der Ökologische Fußabdruck pro gefahrenem Kilometer aus, der wie bei allen Geräten hauptsächlich bei der Produktion entsteht. Daher sollte auf die Anbieter eingewirkt werden, langlebige Fahrzeuge einzusetzen und diese regelmäßig zu warten.
Durch eine Gleichstellung von Fahrzeugen, bei denen bauartbedingt der Elektromotor immer wieder durch Abstoßen mit dem Fuß vom Boden aktiviert werden muss, mit Pedelecs und damit der Einstufung als Fahrrad, würde die Versicherungspflicht entfallen, was den Erwerb durch Privatpersonen deutlich attraktiver macht. Dann wird der Weg in der Vorstadt bis zum S-Bahnhof gerne zurückgelegt, die Mitnahme im ÖPNV problemlos möglich und damit entfällt die vorher durch Faulheit entstandene tägliche Autofahrt zur Arbeit.
Da nicht alle Menschen aufs Fahrrad umsteigen können oder wollen, bieten Elektrokleinstfahrzeuge mit ihrem komplett anderem Nutzungserlebnis eine weitere Alternative zum Auto und helfen so, unsere Stadt zu entlasten.
Quellen:
Entwurf einer Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BMVI, 26.02.2019)
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Die Mobility Data Specification des Los Angeles Department of Transportation:
https://ladot.io/wp-content/uploads/2018/12/What-is-MDS-Cities.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=FpGboFSSddo
https://github.com/CityOfLosAngeles/mobility-data-specification
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http://www.matthias-gastel.de/e-kleinstfahrzeuge/
"Aber wenn wir uns auf die richtigen Regeln für diese Fahrzeuge einigen, sind sie eine große Chance bei sehr überschaubaren Risiken. Einen Großteil der Befürchtungen kann man schon mit der Klarstellung ausräumen, dass diese Gefährte auf den Gehwegen nichts zu suchen haben."
"Niemand kann ohne jede Übung sicher auf einem Fahrrad fahren. Deshalb ist es aber nicht verboten."
"Aber wichtig ist: Um Konflikte zu vermeiden, werden wir in Zukunft Radwege breiter bauen müssen."
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https://la.curbed.com/2018/9/4/17818812/los-angeles-scooters-bird-lime-rules-regulations-vote
"Sie müssen auch für das Recht bezahlen, in Los Angeles zu tätig zu sein. Jährliche Genehmigungen werden 20.000 Dollar kosten, und Unternehmen müssen auch eine zusätzliche Gebühr von 130 Dollar pro Fahrzeug zahlen - allerdings sind die Gebühren in einkommensschwachen Gebieten niedriger." [übersetzt]
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https://www.nytimes.com/2019/01/15/technology/electric-scooters-portland-oregon.html
"Laut einer stadtweiten Umfrage gaben 34 Prozent der Bewohner, die die Roller benutzten und an der Umfrage teilnahmen, an, E-Scooter benutzt zu haben, um das Fahren ihres eigenen Autos oder das Benutzen eines Uber zu ersetzen." [übersetzt]
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https://medium.com/swlh/whats-the-future-of-electric-scooters-18-point-roadmap-14e1f3f9e00d
"Wir haben eine bedeutende Infrastrukturbasis. Wir müssen nicht Milliarden von Dollar in gigantische Autobahnkreuze stecken. Wir müssen keine zusätzlichen Hektar öffentlicher Fläche für Parkplätze opfern. Wir müssen uns nicht auf eine verrückte Terra-forming-Aktivität einlassen (zumindest auf diesem Planeten). Was wir tun müssen ist, die Fahrradwege zu erweitern." [übersetzt]
"Lime bittet die Nutzer, anhand von Fotos, die bei Beendigung der Fahrt zwingend einzureichen sind, zu bewerten, wie gut jeder Roller geparkt ist. Außerdem bietet sie im Rahmen ihres Programms LimeAccess subventionierte Reisen für Personen mit niedrigem Einkommen an." [übersetzt]
"Elektroroller sind nicht nur eine neue Seite im Transportwesen. Sie sind eine neue Seite in einer Beziehung zwischen der Verwaltung und Technologieunternehmen. Daher sollten wir ein beispielloses Maß an Zusammenarbeit erwarten." [übersetzt]
"Winter. Es wird für eScooter schwierig sein, den PKW-Besitz deutlich zu verringern, wenn sie bei schlechtem Wetter nicht verfügbar sind. Werden Rollerfirmen zur Reinigung von Fahrradwegen beitragen?" [übersetzt]
"Elektroroller, ob privat oder geteilt, sind eine bedeutende Veränderung im Verkehr. Was zunächst wie ein Spielzeug aussah, wird die Zukunft der Städte, unser Verhalten und unsere Technologie prägen.“ [übersetzt]
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https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/e-roller-auf-buergersteigen-scheuer-schafft-den-gehweg-ab/24037706.html
“Dem pflichten auch die Grünen bei. „Klar ist: Die Elektrokleinstfahrzeuge gehören auf die Fahrbahn“, so der Stefan Gelbhaar, Mobilitätssprecher im Bundestag. Sein Parteikollege Matthias Gastel erklärte: „Die Gehwege gehören alleine dem Fußverkehr. Daran darf nicht gerüttelt werden.“”
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http://www.manager-magazin.de/digitales/it/elektrokleinstfahrzeuge-verordnung-so-werden-e-roller-staedte-veraendern-a-1255203-amp.html
“Wenn man bedenkt, dass Elektrofahrräder schneller fahren dürfen, aber keiner Versicherungspflicht unterliegen, ist das Ergebnis interessant. Das im Zusammenhang mit Elektro-Rollern und Elektro-Skateboards überhaupt Themenbereiche diskutiert wurden, die zur Folge hätten, dass man E-Scooter im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht mitnehmen dürfte, ist für Nicht-Politiker ohnehin nur schwer nachvollziehbar. Dabei müsste eigentlich schnell klar sein, dass eine Vorgabe, die den ÖPNV ausschließt an der Realität vorbeigeht.”
“Wenn die deutschen Städte sich nicht in den nächsten Wochen auf die Rollerflut vorbereiten wird sich ein Obike-Schrott-Szenario mit Tretrollern wiederholen.”
“Der "Allgemeine Deutsche Fahrradclub" (ADFC) befürchtet in einer Stellungnahme "totales Chaos" auf den städtischen Radwegen und steht genau für die Haltung, die man nicht an den Tag legen darf. Den eigenen Besitzstand zu wahren und das unwahrscheinlichste Negativszenario ganz oben auf die Tanzkarte zu schreiben, ist sicherlich kein Beitrag für eine positive Gestaltung der zukünftigen Mobilität. “
“Schnelle iterative Lösungsansätze, statt jahrelangen Nachdenkens auf Basis von theoretischen Informationen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, gilt dies für Unternehmen, aber ebenso für unsere Politik. Studien zu beauftragen, kostet Zeit und Geld. Und die Ergebnisse sind meist fern der realen Kundenanforderung.”
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https://electricempire.de/presse/die-verordnung-fuer-elektrokleinstfahrzeuge-ist-an-den-nutzern-vorbei-konzipiert/
“Wo selbst Österreich mit nur einem Satz im Gesetz EKfs den Pedelecs gleichgestellt hat, benötigt Deutschland eine Verordnung von 51 Seiten. Diese regelt allein und ausschließlich die Gruppe der Elektrotretroller. Die Nutzer von Elektroskateboards, Monowheels, Onewheels und Hoverboards dürfen weiterhin auf die mündlich angekündigte Sondergenehmigung warten.”
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https://radforschung.org/log/rollersharing-was-staedte-lernen-koennen
“Ob Leih-Scooter ein nötiges Puzzlestück in der Mobilitätswende sein werden, weiß momentan noch niemand. Es wäre aber schade, das darin liegende Potenzial einfach ungenutzt verpuffen zu lassen”.
“Lägen kontinuierlich erfasste Daten vor, ließen sich beispielsweise die Auswirkungen zeitweiser Straßen- oder Brückensperrungen auf das Gesamtsystem analysieren – derzeit ist Verkehrspolitik in Städten stattdessen vor allem meinungs- und gefühlsgetrieben. Eine forschungsgetriebene, experimentelle Herangehensweise an mögliche Fragestellungen ist dagegen nicht umsetzbar. Dabei geht es auch anders: durch die bereits stark technologisch und datengetriebene Arbeitsweise der Anbieter eröffnet sich auch eine Chance für bessere Verkehrsplanung und -Steuerung in der Stadt.”
“Dies beinhaltet auch, ein Auge darauf haben zu können, dass Scooter bevorzugt in Bereichen zur Verfügung stehen, die bislang nicht oder schlecht an den städtischen ÖPNV angebunden sind. Das ermöglicht Eingreifen in die Verteilung, weg von den “goldenen Innenstädten” und Touristenattraktionen und mehr Fokus in die Gebiete, in denen Bewohner*innen bislang benachteiligt sind.”
“Scooter-Sharing-Anbieter stehen in vielen deutschen Städten in den Startlöchern. Mit der Übernahme des Vorgehens und der Mobility Data Specification aus Los Angeles, erhalten Städte Echtzeit-Einblick auf die Scootersituation und können verhältnismäßig regulierend eingreifen - eine Reaktion auf Feedback und nötige Infrastukturverbesserungen sind aber auch dringend notwendig. Das bringt uns in der Mobilitätswende wieder ein Stückchen nach vorn.”
Änderungsanträge
- V-08-002 (Matthias Oomen (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Eingereicht)
- V-08-015 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-018 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-021 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-024 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-027 (Heike Gleissner (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Eingereicht)
- V-08-032 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-037 (Harald Moritz (Berlin-Treptow/Köpenick KV), Eingereicht)
- V-08-040 (Grüne Jugend Berlin (dort beschlossen am: 26.03.2019), Eingereicht)
- V-08-040-2 (Ruben Joachim (Berlin-Pankow KV), Eingereicht)