Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Migration und Flucht (dort beschlossen am: 25.10.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2024, 23:51 |
V-20: Für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt. Gegen den radikalisierten Konservatismus der Berliner CDU und die Entrechtung von Schutzsuchenden in Berlin
Antragstext
„Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder Mensch
ist einzigartig und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen und unteilbaren
Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.“ – so lautet der erste Satz im
Bündnisgrünen Grundsatzprogramm.
Unser Land ist vielfältiger denn je, was zu einer dynamischeren, kreativeren und
inklusiveren Gesellschaft führt. Die Grundlage dieser Gesellschaft ist eben die
Allgemeingültigkeit ihrer rechtlichen Basis. Diese gibt Sicherheit, fördert den sozialen
Zusammenhalt und bereichert das wirtschaftliche sowie kulturelle Leben.
Eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit schützt die Rechte aller, insbesondere der
verletzlichsten Gruppen. Indem wir sicherstellen, dass auch die Schwächsten Zugang zu ihren
vollen Rechten haben, auch mittels unabhängiger Beschwerdestellen, unabhängigem
Menschenrechts-Monitoring, anwaltlicher und rechtspolitischer Vertretung, sowie human rights
budgeting, stärken wir die Gesellschaft und das demokratische System als Ganzes. Wenn wir
auf die Bedürfnisse und Rechte derjenigen achten, die am meisten Unterstützung benötigen,
fördern wir zudem ein gerechtes und inklusives System für uns alle. Letztlich profitieren
wir alle von einer Gesellschaft, die die Würde und Freiheit jedes Individuums respektiert
und schützt.
Wir erkennen an, dass erhebliche Herausforderungen bei der Unterbringung von Geflüchteten
und in der sozialen Infrastruktur, wie Schulen und Kindergärten, bestehen. Dennoch sind
Abschottung, Abschiebung und eine immer schlechtere Behandlung – wie die Einführung der
Bezahlkarte und der Ausschluss von Sozialleistungen – nicht der richtige Ansatz, um diese
Probleme zu bewältigen.
Die Asylrechtsverschärfungen von CDU und SPD mögen zwar Härte im Umgang mit Geflüchteten
auch und gerade in einer krisenhaften Zeit, die in Europa viele rechte Regierungen und
Wahlerfolge für rechtsextreme Parteien wie die AfD hervorgebracht hat, signalisieren, doch
sie lösen die bestehenden Probleme nicht, sondern verstärken sie. Für den Fall, dass eine
Politik der Entrechtung tatsächlich umgesetzt würde, würde das den Übergang von der
freiheitlichen Demokratie zum Autoritarismus bedeuten. Für den wahrscheinlicheren Fall, dass
die Politik der Entrechtung in der freiheitlichen Demokratie nicht umsetzbar ist, wird das
Resultat sein, dass sie rechte Stimme bestärkt, anstatt sie zu entwaffnen. Denn dieses
Ergebnis bestätigt nur extreme, rassistische und antidemokratische Narrative und rückt sie
als sagbar in die Mitte der Gesellschaft. Rechtspopulistische Entrechtungspolitik hält auch
verfassungs- und menschenrechtlicher gerichtlicher Kontrolle nicht stand – zumindest nicht
im menschenrechtsbasierten politischen System der Bundesrepublik Deutschland und der
Europäischen Union. Diese institutionelle Dynamik führt in ohnehin krisenhaften Zeiten zu
weiteren Vertrauensverlusten der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit von
Politik.
Der sich vor unseren Augen abspielende rechtspopulistische Überbietungswettbewerb spielt
Rechtsextremist*innen in die Hände, deren menschenverachtende Deportationsphantasien
plötzlich salonfähig werden. Das von der CDU von der AfD kopierte und kürzlich sogar ins
neue Grundsatzprogramm der CDU aufgenommene „Ruanda-Modell“ zur faktischen Abschaffung des
Grundrechts auf Asyl in Europa ist ein ebenso herausragendes wie abschreckendes Beispiel für
die Normalisierung rechter Politik und die Radikalisierung des Konservatismus.
Arbeitsverbote sowie fehlende Integrations- und Teilhabeangebote wie Ausbildungsplätze und
Beschulung in Regelschulen anstatt in Aufnahmeeinrichtungen, wie es in Berlin passiert,
führen zur Isolation von Migrant*innen und verhindern deren aktive Teilnahme an unserer
Gesellschaft. Dies ist von niemandes Interesse, da sie so unselbstständig und unmündig
gemacht werden, während vom Staat eingesetzte Mechanismen die Verantwortung für das Leben
dieser Menschen übernehmen müssen.
Eine Einteilung in „nützliche“ Migrant*innen (Arbeitskräften, die bleiben dürfen) und
„irreguläre“ Schutzsuchende, die abgeschoben werden sollen, gefährdet unsere freiheitliche
Demokratie, spaltet unsere Gesellschaft und macht wirtschaftlich keinen Sinn. Neben der
Tatsache, dass selbst bei gut ausgebildeten Menschen oft keine legale Möglichkeit der
Einreise besteht, werden hier die Chancen verkannt, die auch diejenigen für unsere
Gesellschaft darstellen, die noch zusätzliche Sprachkenntnisse oder Bildungsabschlüsse
erwerben müssen.
Die Radikalisierung in den Forderungen der in Berlin regierenden CDU und SPD, stark
beeinflusst durch die erschütternden Wahlergebnisse in Thüringen, Sachsen und Brandenburg,
verstärkt die soziale Ausgrenzung der Schwächsten, führt zu einer weiteren Spaltung der
Gesellschaft und spielt antidemokratischen Kräften in die Hände. Letztlich ist es
entscheidend, die Würde und Rechte aller Menschen zu achten, um ein gerechtes und inklusives
System zu fördern.
Die von Kai Wegner und Iris Spranger geforderten Maßnahmen zur Verschärfung des Asylrechts
sind nichts anderes als rechtspopulistische Symbolpolitik in Reaktion auf schreckliche
Ereignisse wie das Messerattentat in Solingen und den glücklicherweise vereitelten
Terroranschlag auf die israelische Botschaft in Berlin. Wir lehnen jegliche
Generalisierungen und Rassismen gegenüber Geflüchteten, Menschen mit Migrationsgeschichte
und muslimisch gelesenen Menschen ab. Die Tat einer Einzelperson lässt in keinster Weise
einen Rückschluss auf geflüchtete Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder
muslimisch gelesene Menschen im Allgemeinen zu. Statt Menschen auf Grund ihrer
(vermeintlichen) Herkunft unter Generalverdacht zu stellen und ihre Rechte weiter
einzuschränken, sollten bei der Erarbeitung politischer Konsequenzen Hintergründe von
Radikalisierung und psychischer Erkrankung identifiziert und ausgewertet werden.
Zunehmende Kürzungen im sozialen Bereich, insbesondere in der psychosozialen Versorgung von
geflüchteten Menschen, aber auch die zunehmend desolate Situation in den Wohnheimen, führen
zu einer Prekarisierung von psychischen Auffälligkeiten, gleichzeitig fehlt es an Prävention
von Radikalisierung. Hinzu kommt, dass das deutsche Asyl- und Migrationssystem, durch einen
Mangel an Identifikation von Hilfebedarfen, Personalmangel und menschenunwürdigen
Bedingungen in Behörden und Unterkünften, Belastungsfaktoren und Vulnerabilität erhöht,
statt Unterstützung zu bieten. Ein System, das Menschen handlungsunfähig macht und in
menschenunwürdigen Bedingungen ausharren lässt, verstärkt psychische Belastung und
Erkrankung, Wut und Radikalisierung, anstatt diese zu bekämpfen.
Extremismus, insbesondere Islamismus, kann nicht durch Gesetzesverschärfungen wie die
Streichung der Grundversorgung von Schutzsuchenden und Abschiebungen bekämpft werden.
Migrationspolitik im Kontext von Terrorismusbekämpfung zu diskutieren ist ein gravierender
politischer Fehler. Vielmehr wird unsere freiheitliche Demokratie dadurch gefährdet und an
den Rande des Übergangs zum Autoritarismus geführt.
Unsere Antwort auf Trumpismus, AfD-Wahlerfolge und den sich immer weiter radikalisierenden
Konservatismus der Merz- und Wegner-CDU muss auf Prävention und demokratischer Teilhabe
basieren. Demokratieförderung, Menschenrechts- und Sozialpolitik sind entscheidende
Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus und Rechtspopulismus.
Ein herausragendes Beispiel für die konstruktive Gestaltung von Teilhabe in Berlin ist das
Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG), das aus
einer Initiative der Bündnisgrünen Fraktion hervorgegangen ist. Durch die Förderung von
Integration und Partizipation wird der soziale Zusammenhalt gestärkt, was zu einer
harmonischeren und stabileren Gesellschaft beiträgt. Insgesamt stellt das Gesetz einen
bedeutenden Fortschritt in Richtung einer gerechteren und inklusiveren Stadtgesellschaft
dar, die die Potenziale aller ihrer Mitglieder erkennt und fördert.
Ein weiteres zukunftsgerichtetes Beispiel für Teilhabe und Mitgestaltung in unserer
Migrationsgesellschaft ist die Bundesratsinitiative der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und Die Linke vom 20. Oktober 2022. Diese Initiative fordert, dass der Senat im
Rahmen seiner Kompetenzen darauf hinwirkt, das Wahlrecht für Unionsbürger*innen auf die
Landesebene zu erweitern. Zudem soll Drittstaatsangehörigen, die seit mindestens fünf Jahren
in Deutschland leben, ebenfalls das Wahlrecht auf Landes- und kommunaler Ebene ermöglicht
werden.
Begründung
Natascha Strobl: Radikalisierter Konservatismus
Natascha Strobl argumentiert, dass die Radikalisierung konservativer Parteien in Europa auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Sie betont, dass viele dieser Parteien sich zunehmend populistischer Rhetorik bedienen, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren, insbesondere in Bezug auf Migration, Identität und Sicherheit. Diese Strategie zielt darauf ab, Wähler*innen zu mobilisieren, die sich in einer sich schnell verändernden Gesellschaft bedroht fühlen.
Strobl hebt hervor, dass die Radikalisierung oft mit einer Abkehr von traditionellen konservativen Werten einhergeht, hin zu extremen Positionen, die xenophobe und nationalistische Tendenzen fördern. Diese Entwicklung kann zu einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft führen und demokratische Prinzipien untergraben, da die Diskurse polarisiert und extremisiert werden.
Insgesamt warnt sie davor, dass diese Radikalisierung nicht nur die politischen Landschaften destabilisiert, sondern auch das Fundament der Demokratie gefährdet.
Die Forderungen von SPD und CDU können als klares Indiz für die Radikalisierung konservativer Parteien im Sinne von Natascha Strobl betrachtet werden, weil sie typische Merkmale populistischer und extremisierender Politiken aufweisen:
- Populistische Rhetorik: Die Betonung auf Sicherheit und der Aufruf zu härteren Maßnahmen gegen Migrantinnen spricht Ängste in der Bevölkerung an. Dies ist eine Strategie, die darauf abzielt, Wählerinnen zu mobilisieren, die sich durch soziale Veränderungen bedroht fühlen.
- Spaltung der Gesellschaft: Die Forderungen schaffen eine dichotome Sichtweise, die zwischen „nützlichen“ und „irregulären“ Migrant*innen unterscheidet. Diese Art der Kategorisierung fördert eine Spaltung innerhalb der Gesellschaft und verstärkt das Gefühl der Fremdenfeindlichkeit.
- Abkehr von traditionellen Werten: Anstatt integrative und gerechte Lösungen zu fördern, setzen SPD und CDU auf repressive Maßnahmen, die oft in Konflikt mit grundlegenden Menschenrechten stehen. Dies steht im Widerspruch zu den demokratischen Prinzipien und könnte als Radikalisierung der politischen Ansätze interpretiert werden.
- Vereinfachung komplexer Probleme: Indem komplexe gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration und Integration auf einfache, populistische Lösungen reduziert werden, wird der gesellschaftliche Diskurs polarisiert. Dies ist ein zentrales Merkmal der Radikalisierung, die Strobel in ihrer Analyse beschreibt.
Insgesamt spiegeln die Forderungen von SPD und CDU die Tendenz wieder, sich populistischen und extremistischen Rhetoriken zuzuwenden, was in Strobls Analyse als gefährlich für die demokratische Kultur angesehen wird.